Bitte beachten: anders als die meisten anderen Beiträge dieser Site, ist dieser Beitrag sehr absichtlich mit folgender Lizenz attributiert: Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.
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Nachdem für mich bis auf weiteres das Thema „Agiles Lernen in der Industrie 4.0“ als Projekt an einer Berliner Hochschule beiseite gelegt ist, habe ich beschlossen, meine Konzepte hierzu auf anderen Wegen zu teilen. Meine bisherigen Kollegen gehen – unter einem ähnlichen Label – einen anderen Weg. Das ist sicher gut und den vorgefundenen Realitäten angepasst, weicht aber deutlich von meinem dort eingebrachten ursprünglichen Konzept ab. Wenn sich die Gelegenheit bietet, werde ich dies vielleicht in einem MOOC-Beitrag unterbringen.
Tragfähiges Konzept für Agiles (Lernen) in der Industrie 4.0?
Die mit dem Begriff Industrie 4.0 einhergehende Umstellung im Arbeitsalltag besteht nicht nur darin, die zwischenmenschliche Kommunikation auf digitale Mittel umzustellen. Vielmehr geht es darum, dass Mitarbeiter den wachsenden digitalen Werkzeugkasten in der Arbeitsumgebung für Aufgaben wie Optimierung und Innovation verwenden zu können UND in diesem Rahmen auch untereinander auf digitalen Wegen kommunizieren. Menschen müssen an jeder Position der Industrie zu fähigen Dirigenten der digitalen Maschinen werden – sonst werden leider doch die aus Science Fiction Romanen bekannten und sozialen Alpträume wahr.
Da diese Umstellung jetzt und kurzfristig stattfinden muss, ist die einzige logische Konsequenz, bereits bestehende Konzepte des Arbeitens mit digitalen Umgebungen rücksichtslos zu adaptieren.
Ganz konkret sind damit Agile Methoden gemeint, die sich vor Jahren aus dem Gefühl des beständigen Scheiterns großer Vorabplanungen im Digitalen Umfeld entwickelt haben.
Bereits ein kurzer und oberflächlicher Vergleich „Agiler Werte“ gegenüber allgemeiner industrieller Notwendigkeiten legt eine gewisse Ähnlichkeit der Ziele nahe:
„Agile Werte“ (Quelle: Wikipedia) | Ziele der Industrie 4.0 (Umsetzungsempfehlungen) |
Individuen und Interaktionen stehen über Prozessen und Werkzeugen | Innovationsprozesse forcieren, Wertschöpfung erhalten, Beschäftigte einbeziehen |
Funktionierende Software steht über einer umfassenden Dokumentation | „Der Transformationsprozess muss daher insbesondere in der Produktion zügig gelingen, um die Zukunftsfähigkeit des deutschen Produktionsstandortes zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten.“ |
Zusammenarbeit mit dem Kunden steht über der Vertragsverhandlung | Traditionelle Stärken der hiesigen Industrielandschaft: Kurze Wege zu und teilweise intensive Kooperation mit Kunden und Lieferanten |
Reagieren auf Veränderung steht über dem Befolgen eines Plans | Schnelle Reaktionsfähigkeit und Flexibilität am Markt. |
Es wäre nicht ganz richtig zu behaupten, agile Methodik würde in der Softwareentwicklung alle Probleme lösen. Als genereller Ansatz für eine kooperative Arbeitsweise von Menschen in einer digitalisierten Umgebung ist sie jedoch konkurrenzlos, auch wenn eine Adaption an einigen Stellen sicher stattfinden muss. Für einen sofortigen Start ist es sehr nützlich, dass es für die Innovationsentwicklung und Kommunikation konkrete Werkzeuge und Workflows aus der Softwareentwicklung gibt. Mit offenen Augen ausgewählt können sie vielversprechende Ansätze liefern.
Wichtig ist jedoch, dass die Ähnlichkeit des Anliegens und der Umsetzung mit dem Original gewahrt bleibt. Insbesondere die Form (das agile Ergebnis ist ein Produkt) sowie die Zielsetzung der erhöhten Effektivität müssen eben konform erhalten bleiben.
… und Agiles Lernen?
„Agiles Lernen“ hat jetzt sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag, indem sogar meine ehemaligen Kollegen aus dem Brofessio-Projekt zitiert werden, die meine ursprünglichen Impulse im Nachgang zu einer eigenen Variante ausgebaut haben. Auch gibt es – und das interessiert uns bei Schulkontext noch viel mehr – Ansätze, agile Methodik im Schulunterricht einzusetzen. Dazu später mehr.
In den meisten der somit genannten Ansätzen gibt es jedoch Adaptionsfehler, die sich in der Interpretation so weit vom Original entfernen, dass das Ziel, die guten Erfolge der agilen Originalmethodik in der Adaption auch zu erreichen, in Frage gestellt wird:
- Die Adaption des Produkts aus der Agilen Methodik fehlt oder ist gegenüber des ursprünglichen Ansatzes falsch.
-> Oft wird die persönliche Kompetenz bzw. der individuelle Lernfortschritt als Ersatzprodukt definiert. Das impliziert jedoch, dass es statt eines Zieles so viele Unterziele wie Teammitglieder gäbe. Das widerspricht in hohem Maße dem ursprünglichen agilen Wunsch der Vereinfachung. - Scrummaster als Lern-Coach bzw. mehrere Coaches
-> Der Scrummaster ist generell immer ein Experte seiner Domäne. In den hier benannten Modellen Agilen Lernens ist er obendrein aber in jedem Fall auch Lehrkraft. Oder es gibt zwei oder mehr Scrummaster, die sich diese beiden Bereiche aufteilen. Wie oben erwähnt gibt es auch per Definition mehr Ziele zu verwalten. Beides erfordert automatisch mehr Kommunikation, was Agilität und Effizienz in Frage stellt.
Für den Bereich der Industrie ist die Annahme, dass es die für Agiles Lernen in dieser Form notwendige Investitionen geben wird, illusorisch. Wenn individuelle Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter das „Produkt“ ist, ist mit Bedauern vorhersehbar, dass dies gegenüber einer herkömmlichen Personalrotation verliert.
Folgerungen für das Agile Lernen in Industrie 4.0
- Mitarbeiter der Industrie 4.0 sollten agile Methodik lernen und beherrschen: JA!
- Produkte agiler Methodik sind die Produkte des Unternehmens.
- Ort und Zeitpunkt des Erlernens Agiler Methodik kann außerhalb und/oder VOR der Zeit am Arbeitsplatz geschehen:
Ja! und dazu später mehr in einem weiteren Artikel, in dem es auch um den Schulunterricht geht …