Aufruf: Liebe Fernsehmacher, bitte lernt wieder, Hilfsverben zu verwenden!

  • „Die Situation: unüberschaubar.“
  • „Die Resultate: katastrophal!“

Derartig plakativ verkürzte Sätze aus dem Off sind inzwischen auf allen Fernsehkanälen in allen Formaten üblich geworden. Das Weglassen verbindender Hilfsverben hat sich als Mode in den letzten Jahren verbreitet. Plakativität ist aber nur als Hervorhebung wirksam, sonst nutzt sie sich ab. Man könnte das nur wirklich sehr holperig lesen, muss sich das aber – nach der Entscheidung der Off-Kommentar-Schreiber – fürs Fernsehen genauso anhören.
Die Gründe für diese Mode könnten in der Zeitersparnis pro Beitrag von geschätzten 5-10% der kostbaren Sendezeit liegen. Vielleicht wird das in der Ausbildung der Redakteure jetzt so gelehrt. Für Privatsender kann dieses Argument vielleicht gelten, für durch Gebühren finanzierte Sender und deren Bildungsauftrag sehe ich die Verantwortung allerdings anders gelagert. Auch die gleichzeitige Verwendung von Bildern (weiß man ja: > 1000 Worte Gegenwert), hat nur dann einen kommunikativen Effekt, wenn so viele Worte überhaupt im Kopf ersetzt worden wären …
Über die Fähigkeit der Schreiber, zu vollständigen Sätzen zurückzukehren, habe ich keinerlei Information …
Mit großer Berechtigung klagen LehrerInnen über die stark abnehmende sprachliche Ausdrucksfähigkeit der SchülerInnen. Ich möchte allen Erwachsenen anraten, mal Textproben aus einer durchschnittlichen Schule zu lesen. Sie werden – je nach Humorschwelle – eine traurige Träne im Auge haben und froh über jedes verbindene, verstehbare Wort sein. Von der Tweetsprache oder schauderhaften Forenbeiträgen möchte ich hier gar nicht erst beginnen. Es ist die eine Sache, dass man ja u. U. in Zukunft keine Handschrift mehr benötigt, aber wie-auch-immer-man-es-dreht: es bleibt die Befürchtung, dass, wenn man sich nicht präzise verständigen kann, es noch häufiger als aktuell zu unnötigen Auseinandersetzungen kommt.
Im übrigen ist der Einsatz von Bildsprachen (s. o.; je >1000 Words) kaum im Unterricht vertreten und die Ausformulierung von Gestensprachen für alle steckt noch in den „Swipe, Zoom und Touch“-Kinderschuhen. Außerdem sind diese bereits patentiert ;-)

„Restringierter Code“ in der Sprache hat seine Berechtigung nur auf´m Bau oder beim Militär oder in Notsituationen. Leider nimmt die erste Situation immer mehr ab und hoffentlich die anderen auch.
Obwohl ich weit davon entfernt bin, ein Germanist zu sein, bin ich mir sicher, dass die Verwendung von „ist und sein“ fundamental wichtig ist.
Klingt „Ich denke, also: ich.“ nicht einfach nur lächerlich und fehlt es da nicht an Bedeutung?
Als Naturwissenschaftler bin ich von der Notwendigkeit einer präzisen Wortwahl in Diskussionen und Beschreibungen überzeugt und von der Effizienz begeistert. Das spart Zeit und macht Wissenschaft überhaupt erst möglich! Wenn Hilfsverben kein Teil der gehörten Spracherfahrung mehr sind, werden Sie im zukünftigen Sprachgebrauch selbstverständlich ebenso fehlen.
… und: nein, das ist kein Ausdruck lebendiger Sprachentwicklung, sondern von wenigen „Machern“ gemacht.
Also: liebe Fernsehmacher, der Effekt des Weglassens von „ist und sein“ ist gering. Darüber kann man einmal lächelnd stolpern, danach ist es nur noch als Arbeitsverweigerung wahrnehmbar.
Zeigt doch bitte, dass Ihr professionell Worte wählen und nicht nur Sprache restringieren könnt. Es ist ein Unterschied, ob man etwas für sich selbst weglässt oder für andere wegentscheidet. Jegliche Mode ist einmal vorbei. Diese bitte jetzt.